Wednesday, February 02, 2005

Die zwei Etappen der Aufklärung

2. Teil

Die Aufklärung B zu geben ist begreiflicherweise bedeutend schwieriger. Da wir mit der Konkurrenz der Strasse zu rechnen haben, dürfen wir leider mit ihr nicht so lange warten, als wir eigentlich wollten. Länger als bis zum Alter von zwölf Jahren sollte man sie nicht hinausschieben. Andererseits kann es sein, dass wir schon mit neun oder zehn Jahren dem Kinde sie zu geben gezwungen sind; denn es gilt unter allen Umständen, der Strasse zuvorzukommen! - Das Ideal besteht auch hier in der mündlichen Aufklärung, und zwar des Sohnes durch den Vater, der Tochter durch die Mutter. Bestehen aber Hemmungen, das zu tun, so soll ohne Verzug die Aufklärung durch das gedruckte Wort geschehen. Für Knaben kommt in Betracht: "Das Wunder der Menschengeburt", Verlag W. Loeptingen in Meiringen; für Mädchen : "Wie Hannchen Mutter ward", Verlag Orell Füsli, Zürich; beide Schriften von mir verfasst; Fr. 1.20. Wichtig ist, dass Knaben rechtzeitig auf das Erscheinen der Pollutionen und die Mädchen auf das Eintreten der Menstruation aufmerksam gemacht werden. - Die erwähnten Schriften können Eltern, welche die Aufklärung B mündlich geben möchten, als Wegleitung dienen.
Die Schamhaftigkeit ist vom Schöpfer dem Menschen im Kampf um die Reinheit als mächtiger Schutz verliehen. Die moderne Tendenz, sich von ihr möglichst frei zu machen, da sie sexuell entspannend wirke, ist völlig falsch und erweist sich als ein grosser Unsegen. Gewiss, sie darf nicht in Prüderie ausarten, so dass zum Beispiel ein Mädchen im fremden Hause nicht einmal nach der Türe des "AB" zu fragen wagt! Aber noch viel weniger dürfen wir in die Schutzwehr der Schamhaftigkeit mutwillig Breschen schlagen. Übrigens ist dem Menschen die Anlage zur Schamhaftigkeit angeboren. Das geht aus der Tatsache hervor, dass die Erziehung zur Schamhaftigkeit bei den Kindern mit überraschender Mühelosigkeit sich durchführen lässt!
Bei kleinen Kindern hüte man sich auf dem Gebiete dieser Erziehung vor jeglichem Übereifer, damit ja nicht ihre Aufmerksamkeit ungewollt auf die sexuelle Sphäre gelenkt werde. Auch bei grösseren Kindern sollen unsere im Interesse der sexuellen Erziehung erlassenen Anordnungen möglichst den Charakter der Unauffälligkeit haben, ohne dass jeden Augenblick die Worte "unanstädig", "unschicklich", "g'schämig" zu hören sind. So zum Beispiel, wenn die Mutter anordnet, dass die grösseren Buben und Mädchen nicht zu gleicher Zeit in Küche oder Badezimmer sich waschen; oder wenn sie eines Tages den Geschwistern, die bisher im gleichen Zimmer schliefen, nach Geschlechtern geordnete Schlafräume anweist (spätestens mit neun oder zehn Jahren). - Die heranwachsenden Mädchen sollen dran gewöhnt werden, beim Sitzen ungeziemende Haltung zu vermeiden un in ihrer Kleidertracht auf die Gebote guter Sitte Rücksicht zu nehmen.

(aus: "Mutterfreuden, Mutterpflichten" von Dr. Med. Hans Hoppeler; Zürich, in der Nachkriegszeit)

1 Comments:

Blogger SchwarzFahrer said...

das ist ja tiefig gemacht von Dir
vielen Dank

meine Internet-Email-Adresse wär:

rico-keller5@swissinfo.org

3:29 AM  

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