Thursday, May 12, 2005

Männerspielzeug

Wagenrennen: von den Römern (Vierspänner) kultivierte und auch heute noch von den Italienern (Ferrari) beherrschte Männersportart. Namhafte Schweizer Autofahrer: Joseph Siffert (Lotus), Gianclaudio Guiseppe Regazzoni (Ferrari). Namhafte Schweizer Autobauer: Peter Monteverdi (Binningen), Peter Sauber (Hinwil).

Weshalb starren wir Männer, wenn wir über eine Brücke gehen, immer nur stur ins Wasser? Statt uns wie die Frauen die Umgebung, die schöne Landschaft anzusehen? Nun, wir tun das, weil wir im Innersten unseres Wesens immer noch auf Beute aus sind. Auch 4000 Jahre nach Ende der Jungsteinzeit wittert der Mann in allem, was vor seiner Nase kreucht und fleucht, zunächst das Jagdobjekt. Er sucht im Feld nicht den blühenden Mohn, sondern den Hasen, im Wald den Fuchs, im Wasser den Fisch...
Mit diesem latenten Jagdtrieb lässt sich nicht nur so einiges am männlichen Sozial- und Sexualverhalten erklären, sondern genauso das geschlechtsspezifische Fahrverhalten: Der mannhafte Automobilist sieht im arglos vor ihm her tuckernden Mitmenschen immer auch den Rücken einer fliehenden Beute, die er am liebsten nach alter Väter Sitte abschiessen würde, wäre das inzwischen nicht doch ein wenige verpönt. In unserer modernen, vorwiegend urbanen und ergo verweichlichten Zivilisation ist der gutbürgerliche Blattschuss ja tabu. Entsprechend wird beim Autofahren zwar durchaus gejagt, getreiben und gehetzt, doch darf die Beute, sobald sie gestellt ist, eben nicht länger erlegt und auch nicht mehr ausgenommen werden; das vierrädrige Wild wird bloss fachgerecht ausgebremst, elegant überholt - und dann lässt man es weiter vor sich hin vegetieren...
Grundsätzlich wird die motorisierte Menschenjagd heutzutage in drei Spielformen gepflegt: erstens in zivilen Strassenrennen, zweitens in professionellen Rundstrecken-Wettbewerben, drittens in Rallies auf freier Wildbahn. Während Rallies naturgemäss nur in entlegenen Gegenden wie Skandinavien, der Wüste Sahara oder dem Wallis in Frage kommen, sind zivile Strassenrennen besonders in vorstädtischen Ballungszentren oder modernen Industriewüsten wie dem schweizer Mittelland Brauch.
In solchem Umfeld messen sich blutjunge Tempojäger, von deren Fahrausweisen noch die Tinte tropft, mit blutrünstigen Armaturen-Amateuren, die in ihren tiefgelegten und hochgetunten Fahrzeugen selbst Ambulanzen und Feuerwehrautos keine Chance lassen. Diese Strassenkämpfe werden spontan anberaumt, und es geht dabei nie um Geld, sondern bloss um Ehre, wenn auch unter Einsatz von Leib, Leben (und Lexus). Die Rennen finden in der Regel nachts und am Wochenende statt; die Schlussresultate kann der interessierte Sportfreund unter den "Vermischten Meldungen" nachlesen.
Im Gegensatz zum klandestinen Treiben der Kleinbürger werden professionell ausgeschriebene Wagenrennen seit alters auf Rundstrecken ausgetragen; bei den Römern im Circus, bei den Griechen im Hippodrom. Der erste Schweizer Grand Prix allerdings ging, passend zum Jagdtrieb der "Herrenfahrer", im Unterholz über die Bühne. Der Parcours war laut dem Standardwerk "Das grosse Abc der Formel 1" in beängstigender Weise "komplett vom Wald umgeben"; ausserdem bestand er "hauptsächlich aus Kurven, die von einer kurzen, an den Boxen vorbeiführenden Geraden unterbrochen wurden" - eine Versuchsanlage, die immer zu schweren, mitunter tödlichen Unfällen führen musste.
In jedem andern Land hätte die Regierung die störenden Bäume zum Wohle des Sports einfach fällen lassen. Unser Bundesrat hingegen beschloss 1955, jegliche Rundstreckenrennen auf Schweizer Boden bis auf weiteres zu verbieten. Und so sieht sich selbst unser weltberühmter Formel-1-Patron Peter Sauber, dessen Bekanntheitsgrad sogar jenen Roger Federers übertrifft, seit Jahr und Tag gezwungen, seine im Zürcher Oberland gebauten Qualtitätsautos ausschliesslich im Ausland auffahren zu lassen.
Und aus dem gleichen Grund muss unsere benachteiligte Jugend das sportliche Autofahren immer mit einem Fuss im Gefängnis oder mit beiden Händen an der Playstation üben. Nicht zufällig heisst das hierzulande momentan meistverkaufte Computerspiel"Need for speed underground".


(Richard Reich in NZZ Folio vom April 2005)

1 Comments:

Blogger SchwarzFahrer said...

Hmmmmm

Männerspielzeug??

ähmm - also ich denke...
das MEISTE, was wir Männer tun,
resp. eben NICHTUN..
tun wir eben genau aus dem Grund,
wie Du da richtig geschrieben hast,
"dem latenten Jagdtrieb...
dem männlichen Sozial- und Sexualverhalten...
...immer auf Beute aus" Trieb...
zur allgemeien Unterhaltung der Frauen nähmlich, die sich dabei sehr wohl ergötzen und über das Tun amüsieren, wenn nicht sogar als Massstab Ihrer Kritik, Ihrer Auswahl nehmen...

ähmm
Punktum:

Unser Bewusstsein folgt noch immer unserem Uralten und niedrigstem Instinkt nach:
(mit drei grundsätzliche Anliegen)

Kann ich "es" essen?
Wird "es" mich essen?
Kann ich mich mit "ihm" paaren?


daher das Vorführen...
und das geschiet dabei auf Vielfältigste weise...
manchmal ist es eine gesellschaftliche Stellung,
manchmal sind es Rennen,
manchmal sind es Verkleidungen,
manchmal ist es eine kontrollierte Stimme,
manchmal wird ein Exempel statuiert,
manchmal ist es ein Diplom an der Wand,
machmal ist es ein Vorführen von körperlicher Kraft,
es gibt viele Formen...

Und - kein Wunder,
es funktioniert...

schöne Grüsse
SchwarzJagtBahnFahrer

6:57 AM  

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